Stimmt es, dass man mit zunehmendem Alter weniger Stress bei der Arbeit empfindet?
Vor einigen Tagen traf ich in einem Café einen Bekannten, den ich bereits längere Zeit nicht gesehen hatte. Er war für sein Masterstudium ins Ausland gegangen, hatte dort mit Erfolg sein Studium abgeschlossen und war danach bei einem großen Logistikunternehmen in unserer Stadt angefangen. Als ich ihn freudig begrüßte, merkte ich gleich, dass sich Klaus verändert hatte. Er wirkte unkonzentriert, schaute ständig auf die Uhr, betonte sofort, dass er sich zwar auch freue, mich wiederzusehen, aber wirklich nur etwas Zeit habe, weil er nach seiner Mittagspause sofort wieder das nächste Meeting in seiner Firma habe. Klaus wirkte, mit einem Wort, richtig gestresst.
Mich hat das gewundert, denn Klaus ist deutlich jünger als ich; ich hatte ihn bisher stets als souverän und zielstrebig erlebt, ein Mensch, der weiß, was er kann und auch weiß, was er will.
Klaus und ich haben uns in der kurzen Zeit, die er hatte, kurz ausgetauscht, viel mehr war nicht drin, doch der Gedanke, wie es kommen kann, dass ein Berufsanfänger bereits nach wenigen Monaten im Job so gestresst sein kann, hat mich seitdem sehr beschäftigt. Wichtige Hinweise auf die Ursachen habe ich in einem Blogbeitrag gefunden.
Unser Verhältnis zur Arbeit hat sich in den vergangenen Jahren stark verändert. Einmal ist es die Art, wie wir heute arbeiten, sagt eine Expertin. In allen Unternehmen habe das Tempo enorm zugelegt. Der Leistungsdruck sei hoch. Ständig werde umstrukturiert. Veränderung als Selbstzweck, das alles bringe Druck mit sich.
Zum anderen könne aber auch unsere eigene, innere Einstellung zur Arbeit Stress erzeugen: „Arbeit ist in der Arbeitsgesellschaft enorm wichtig. Die Angst, keine Arbeit zu haben oder seine Arbeit nicht gut zu machen, ist hoch. Dadurch ist auch der innere Druck bei vielen Menschen sehr groß. Moderne Managementformen, die Mitarbeitern maximales Engagement abfordern, bringen hier großes Stresspotenzial.“
Untersuchungen gehen davon aus, dass heute neun von zehn Arbeitnehmern Stress am Arbeitsplatz haben, und gerade junge Arbeitnehmer, die noch nicht so viel Routine und Erfahrung im Job haben, klagen häufig über einen übergroßen Druck, unter dem sie leiden. Viele wissen auch, dass ihre Produktivität und nicht zuletzt ihre Kreativität dadurch leiden.
Äußere Faktoren spielen gerade bei Berufsanfängern eine große Rolle. Die meisten beginnen mit einem Zeitvertrag ihren ersten Job im Berufsleben. Sie haben eine relativ kurze Zeitspanne, in der sie ihren Arbeitgeber davon überzeugen wollen, dass sie die richtige Besetzung für eine Festanstellung sind.
Dieser Druck ist objektiv gegeben, doch gerade Jüngere machen sich dazu noch selbst Stress. Sie wollen nach dem jahrelangen Studium beweisen, dass sie etwas leisten können. Sie möchten oftmals zu viel in viel zu kurzer Zeit verändern und neugestalten und erleiden so nicht selten bereits nach wenigen Monaten Schiffbruch. Tatsächlich sind ältere, erfahrene Mitarbeiter hier im Vorteil. Sie haben einen sicheren festen Arbeitsplatz, haben bereits häufiger Konfliktsituationen erlebt und sind deshalb souveräner und gelassener im Umgang mit stressauslösenden Situationen.
Trotzdem können auch Jüngere einiges tun, um dem Stress etwas entgegenzusetzen.
Nicht immer nur Vollgas geben
Erkunde deinen eigenen Rhythmus. Bist du morgens früh leistungsfähiger, fange einfach früh an zu arbeiten und erledige dann die schwierigen Dinge. Bist du Spätaufsteher, verlege sie besser auf den Nachmittag oder den frühen Abend.
Mach regelmäßig Pause
Kurz mal raus aus dem Büro, ein Gang durch den Park, ein kleiner Espresso im Café – das beflügelt den Geist. Auch etwas Bewegung am Arbeitsplatz kann helfen.
Sieh dich nicht immer nur als Opfer
Du bist nicht gezwungen, immer noch mehr zu leisten. Wenn wieder eine Aufgabe auf deinem Schreibtisch landet, lehn dich besser zurück und denk nach, ob das heute noch zu erledigen ist, statt sofort hektisch loszuarbeiten.
Rituale helfen beim Abschalten
Nach Feierabend stell die Arbeitstasche in eine Ecke, wo du sie nicht ständig siehst, schalte dein Diensthandy stumm. Der Feierabend gehört dir und ist nicht die Fortsetzung der Arbeit am anderen Ort.
Sag auch mal „nein“
Natürlich gibt es Dinge, die muss man als Arbeitnehmer tun, auch wenn man dafür jetzt eigentlich keine Zeit hat, aber andersherum: Man muss nicht immer sofort „ja“ sagen. Wenn du Zeit nach Nachdenken brauchst, sag das, und wenn du am Ende zu dem Schluss kommst, dass du den zusätzlichen Auftrag jetzt nicht sofort machen kannst, gibt es vielleicht eine Lösung, ihn später anzugehen.
Klar, Stress ist ein großes Thema im heutigen Arbeitsleben. Man kann sich dort ständig ärgern, aber genauso richtig ist, dass einen niemand dazu zwingen kann, dies zu tun. Manchmal bewirkt Gelassenheit viel mehr.
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